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4. Entwicklungen
Im Folgenden werden die für die Schulen relevanten technischen und damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Entwicklungen aufgezeigt. Diese gehen Hand in Hand (Co-Evolution) mit pädagogischen und didaktischen Entwicklungen.
- Die Entwicklung zur digitalen Gesellschaft hat erst begonnen.
- Computer sind auch ein Zugang zu erweiterten sozio-kulturellen Räumen.
- Der Anteil mobiler persönlicher ICT-Geräte nimmt zu.
- ICT-Dienste und -Anwendungen verlagern sich ins Netz.
- Ein schneller Internet-Zugang wird Grundinfrastruktur jedes Gebäudes.
- Medien sind digital.
- Medienpartizipation wird Kernkompetenz.
4.1 Die Entwicklung zur digitalen Gesellschaft hat erst begonnen.
Der Strukturwandel durch die Digitalisierung, der bereits viele Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens erreicht hat, wird keinen Halt machen vor den Schulen. Zur Zeit ist dieser Strukturwandel sehr eindeutig bei der Medienbranche wahrzunehmen. Wenn auch mit Verzögerung ist in den nächsten Jahren auch im Schulbereich mit einem weiteren Strukturwandel zu rechnen. Zur Zeit besteht keine Einigkeit darüber wie dieser Strukturwandel aussieht und es ist zu erwarten, dass er die Schulen mit ähnlicher Überraschung treffen wird, wie es in anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen bereits geschehen ist. Der aktuellen „National Education Technology Plan“ der USA vom November 2010 beschreibt dies im Kapitel „Rethinking Basic Assumptions“ wie folgt: „The last decade has seen the emergence of some radically redesigned schools, demonstrating the range of possibilities for structuring education.“
Drei Gedanken die dieses Neu-Denken der Schulstrukturen aufgrund des digitalen Wandels, einerseits ermöglichen, andererseits erfordern, werden im folgenden exemplarisch aufgeführt. die Strukturierung der Schule entlang (a) der „Unterrichts-Stunde“ (b) der „Alters-Klassen“ © der „Unterrichts-Fächer“ in Frage gestellt.
-#a Unterrichts-Stunde „One of the most basic assumptions in our education system is time-based or “seat-time” measures of educational attainment.“
-#b Alters-Klassen „Another basic assumption is the way we organize students into age-determined groups, structure separate academic disciplines, organize learning into classes of roughly equal size with all the students in a particular class receiving the same content at the same pace, and keep these groups in place all year.“
These include schools that organize around competence rather than seat time and others that enable more flexible scheduling that fits students’ individual needs rather than traditional academic periods and lockstep curriculum pacing.„ 1)
Die Vermittlung von Wissen wird in der Bedeutung abnehmen zugunsten des Erlernen des Denkens, des bewussten Wahrnehmens, Verstehens, der kontextuellen Anwendung sowie auch sozio-emotionaler Kompetenzen. Wissen steht jederzeit instantan abrufbar zur Verfügung. Es ist zu erwarten, dass längerfristig die Strukturierung der Schule entlang der Fächer fallen wird und an deren Stelle entweder die Strukturierung entlang von persönlichen Entwicklungslinien und Kompetenzen der Schülerinnen und Schülern organisiert wird oder die Schule als offenes System verstanden und gelebt wird. Erste Schritte in diese Richtung sind beim Lehrplan 21 zu sehen, der in den unteren Stufen ganze Fachbereiche zusammenfasst.
Schulentwicklung wird zu einem dynamischen andauernden Prozess, der aufgrund des digitalen Wandels, der gesellschaftlichen Wertediversifizierung und der Politisierung des Themas Schule trotz Harmos und Lehrplan 21 nur schwer vorhersagbar resp. fix planbar ist.
Für den Entwicklungsplan «Bildung im Netz» heisst dies: Die Nachhaltigkeit der IT-Konzeption kann nur dann garantiert werden, wenn das Prozesshafte des Strukturwandels der Schulentwicklung mit einbezogen wird und die Schul-IT dynamisch-mobil den sich wechselnden, kontextuellen Bedürfnissen der Schule anpassen wird. Ein Entwicklungsplan sollte deshalb regelmässig aktualisiert und den neuen Zielen und Kontexten angepasst werden. Oft kann bei der Konzeption das zu Erreichende nur annähernd abgeschätzt werden, da es in der Zukunft liegt. Die Zieldefinitionen werden aufgrund der Erfahrungen und neuen Tatsachen immer wieder korrigiert werden 2).
Die schnelle Entwicklung hat zur Folge, dass weiterhin regelmässig Investitionskosten anfallen werden.
Schulentwicklung und ICT-Integration ist als Prozess zu verstehen und zu gestalten.
- Studien zur nächsten Gesellschaft von Dirk Baecker
- Transforming American Education - Learning Powered by Technology; National Education Technology Plan 2010 des U.S. Department of Education Office of Educational Technology
4.2 Computer sind auch ein Zugang zu erweiterten sozio-kulturellen Räumen.
In den 80er Jahren hat man den Computer als Werkzeug verstanden, damals sprach man von EDV, sprach von Anwenderschulung und lernte Programmieren. Mitte der 90er Jahren hat man gesehen, dass Computer nicht nur ein Werkzeug zur Bearbeitung digitaler „Texte“ sind, sondern auch als Medium eingesetzt werden können, seither spricht man von ICT. Und Medienbildung ist mancherorts ein eigenes Fach geworden. Ende der 00er Jahren wurde uns mit Facebook und Co. schlagartig klar, dass der Computer nicht nur als Werkzeug und nicht nur als Multi-Medium dient, sondern dass das Internet auch ein sozio-kultureller Raum darstellt.
In der Gesellschaft ist zu beobachten, dass Soziale-Netze, Chats, SMS und virtuelle Welten aus dem Leben vieler Erwachsener und Jugendlicher nicht mehr wegzudenken sind.
In der Schule sind der Klassenraum und der Pausenplatz heute nicht mehr die einzigen sozialen Räume in denen sich die Schüler/innen begegnen. Heute werden sie überlagert und erweitert durch digital-soziale Netzwerke, virtuelle Chat-Räume, etc. (Facebook, MSN, SchuelerVZ etc.).
Welche Folgen dies für die Schule haben wird und wie dort damit konstruktiv umgegangen wird, ist eine der grossen Herausforderungen der Schule.
- Leben im Netz: Identität in Zeiten des Internet von Sherry Turkle
4.3 Der Anteil mobiler persönlicher ICT-Geräte nimmt zu.
Die Entwicklung von immer leistungsfähigeren und bedienerfreundlichen mobilen Geräten ist heute eine der wichtigsten Triebfedern der Computerindustrie.
In der Schweiz verfügt in der Zwischenzeit fast jeder Bürger über ein Mobiltelefon und die Wachstumszahlen für Smartphones sind enorm. Mit den Smartphones stehen den Menschen ein Computer zur Verfügung mit dem sie jederzeit und überall Zugang zum Internet haben. Durch die Vielzahl verschiedenster Internet-fähiger Geräte nimmt auch die Anzahl der verschiedenen Betriebssysteme zu. Immer öfter wissen die Benutzter/innen nicht mehr, was für ein Betriebssystem in ihrem ICT-Gerät läuft.
Auch die Schulen sind im Zeitalter der mobilen Revolution angekommen. ICT-Geräte werden für die meisten Schüler/innen erschwinglich, allgegenwärtig und durchdringen alle Räume. Die Schulen schwanken zwischen Verbot und vorsichtiger Integration dieser mobilen ICT-Greäten. Erste Primarklassen werden als Pilotklassen mit Smartphones ausgerüstet.
Wir rechnen bis 2015 mit folgenden Verhältnissen4) von netzfähigen mobilen ICT-Geräten pro Schüler/innen:
- Kindergarten/Untersufe: 1 ICT-Gerät pro 4 Schüler/innen (KGU 1:4)
ICT-Geräte im Unterrichtseinsatz in der Unterstufe werden sich weiter durchsetzen. - Mittelstufe: Ein ICT-Gerät pro zwei Schüler/innen (M 1:2)
Mit Netbook-Pools, iPhone-Klassen etc. wird bis 2015 auf der Mittelstufe im Schnitt ca. 1 Gerät pro 2 Schüler/innen zur Verfügung stehen. - Sekundarstufe 1: Ein ICT-Gerät pro Schüler/in (S1 1:1)
In den nächsten 5 Jahren beginnt sich „One Notebook per Child“ (auch 1:1 Computing genannt) dank den niedrigen Preisen von Netbooks ab der Sekundarstufe 1 durchzusetzen. - Sekundarstufe 2: Zwei ICT-Geräte pro Schüler/in (S2 2:1)
Jede/r Schüler/in wird mehrere Internet-fähigen Geräte verfügen, da er/sie neben einem Schulnotebook auch noch über Smartphone und Spielkonsole für den Internet-Zugang verfügt.
Den Schulen bleibt in Zukunft die Aufgabe, Netzanbindung sowie Ein- und Ausgabegeräte (Drucker, Beamer, Scanner, etc.) zur Verfügung zu stellen. Welche Rolle die Schulen zukünftig bezüglich der Beschaffung und Finanzierung der persönlichen5) mobilen ICT-Geräte spielt, ist ein offener Diskurs. Ein Verbot der Verwendung privater ICT-Geräte im Schulumfeld ist weder sinnvoll noch längerfristig durchzuziehen, die Herausforderung ist die Integration dieser Geräte in den Unterricht.
- JAMES-Studie; Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz 2010 der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
4.4 ICT-Dienste und Anwendungen verlagern sich ins Netz.
Egal ob zuhause, unterwegs, auf dem Pausenplatz oder im Unterricht: Das was den Schülern/innen und Lehrpersonen als gemeinsamer kleinster Nenner immer zur Verfügung steht und sich in der Art und Weise der Benutzung nicht ändert, sind Internet-Dienste7) und Anwendungen8).
Einer der Hauptgründe, weshalb ICT-Infrastruktur sich ins Netz verlagert ist, dass die Server nicht nur aus der Schule sondern auch von zu Hause, und von Unterwegs aus gut erreichbar sein sollten. Da die Bandbreite ins Netz (Upstream) oft der grössere Flaschenhals darstellt, lohnt es sich die Dienste direkt ins Internet zu stellen. Je nach technischem Know-How kann man entweder Software9), Plattformen10) oder Infrastruktur11) als einen Dienst der im Netz verfügbar ist einkaufen.
Der Aufwand eine eigene e-Learning-Plattform oder Datei-Server zu betreiben ist für eine einzelne Schule oft zu gross oder es fehlt das technische Know-Kow. Die Infrastruktur oder sogar die Plattform als einen skalierbaren professionellen Dienst (IaaS / PaaS) einzukaufen ist verlässlicher und kostengünstiger.
Auch für Schulen die selbst Internet-Dienste anbieten (oder und entwickeln) lohnt es sich diese auf externer Infrastruktur (IaaS) laufen zu lassen. Server Infrastruktur kann heute als günstige skalierbare Dienstleistung eingekauft werden, da Informatik nicht das Kerngeschäft der Schule ist gibt es (sobald ein Glasfaseranschluss vorhanden ist) keine Gründe mehr im Schulkeller eigene Internet-Dienst-Server zu betreiben.
- Educaguide Infrastruktur von Vincent Tscherter, Beat Doebeli Honegger und Team
- Lernplattformen entwickeln sich rasend langsam von Beat Doebeli Honegger
4.5 Ein schneller Internet-Zugang wird Grundinfrastruktur jedes Gebäudes.
Der Wechsel der Internetanbindung von Kupfer (ADSL+Kabelnetz) auf Glasfaser (FTTH) ist ein Quantensprung in der Informationstechnologie. Über Glasfaseranschlüssen sind bis zu 1000 Fache Bandbreiten zu heutigen Kupferanschlüssen möglich.
Im Kanton Zürich, werden Glasfaseranschlüsse zu jedem Haushalt (FTTH) und schnelle Breitbandanschlüsse (VDSL) in den nächsten 5 Jahren weite Verbreitung finden. In den Städten Winterthur und Zürich, sowie der Agglomeration von Zürich ist die vollständige Verkablung zu allen Gebäuden mit Glasfaser geplant und teilweise bereits in Umsetzung12).
Für Schulen beginnen die Glasfaserangebote (z.B. SAI Extra) bei ca. des 10 Fachen der heute in den Schulen üblichen Bandbreite (50/10 MBit/s statt 6/0.6 MBit/s). Die verfügbaren und bezahlbaren Bandbreiten werden in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter ansteigen.
Für die Schulen bietet dieser Wechsel die Chance, die Art und Weise, wie die sie technisch vernetzt und ans Internet angebunden sind, zu überdenken und auf einen für die Schulen im digitalen Zeitalter angemessenen Stand zu bringen.
- Access - Das Verschwinden des Eigentums von Jeremy Rifkin
4.6 Medien sind digital.
- Die Schule im Zeitalter des digitales Unterrichtsmaterials: Im Zeitraum von 2010-15 dürften die (Lehrmittel-) Verlage für die Berufsbildung und die Mittelschulen vermehrt digitale Unterichtsmaterialien anbieten. Auf der Volksschulstufe ist ein grosses Engagement im Bereich der Online-Publikation von Zusatzmaterialien für Lehrmittel zu beobachten. Mit Tablet-Computer wie das iPad und billigen Netbooks stehen heute auch bereits flexible Geräte für die Arbeit mit digitalen Unterrichtsmaterialien zur Verfügung.
Heute werden Unterrichtsmaterialien von Lehrpersonen oder Lehrmittelverlagen fast ausschliesslich am Computer erstellt, d.h. sie sind prinzipiell digital vorhanden. Der Grossteil dieses Unterrichtsmaterials findet heute in Papierform (als Ausdruck, Photokopie oder Buch) den Weg ins Klassenzimmer. Die gute Lesbarkeit, hohe Verfügbarkeit, niedrigen Kosten und die einfache Handhabung sind dafür verantwortlich, dass Papier heute in der Schule das dominierende Ausgabemedium ist und mit grosser Wahrscheinlichkeit noch einige Jahre bleiben wird. Allerdings werden gerade wenn es um die verschiedenen Lernkanäle (Audio/Video) geht, andere Ausgabemedien wie Tablets, Netbooks, etc. weiter an Bedeutung gewinnen.
Nicht nur im Buchhandel ist die Umstellung auf digitale Medien zu beobachten auch bei den Lehrmittelverlagen wird intensiv an den notwendigen Konzepten und der Umstellung zum digitalen Buch gearbeitet.
- Total digital. Die Welt zwischen 0 und 1 oder Die Zukunft der Kommunikation von Nicholas Negroponte
4.7 Medienpartizipation wird Kernkompetenz.
Aktive Medien Mitgestaltung ist seid Jahren eine der drei Eckpfeiler der Medienbildung 13), diese fordert im digital-interaktiven Multi-Medium neue Kompetenzen. Diese Kompetenzen sind heute nicht nur zentral für die Medienbildung sondern für jegliche Form der Zusammenarbeit.
Die Kompetenzen der Medienpartizipation 14) können so zusammengefasst werden:
- Kooperative Textproduktion und Wiederverwendung von Inhalten: Die Fähigkeit mediale Inhalte auf kreative Weise Wiederverwenden zu können.
Komplexer „Text“15) baut auf bereits existierendem Text auf und wird kooperativ online erstellt. Niemand, der dies aus der Berufspraxis kennt, kann sich vorstellen dass in den Schulen von Morgen weiterhin meist individuell und unvernetzt Text und Wissen produziert werden soll. Zur digitalen kooperativen Textproduktion gehört das Verständnis der verschiedenen Aspekte der Versionierung und Online-Zusammenarbeit. Das Arbeiten mit Wikis oder Online-Textverarbeitungen sind erste Schritte in diese Richtung. - Bewertung von Medieninhalten
Die Fähigkeit, Glaubwürdigkeit und ethische Vertretbarkeit von Medieninhalten beurteilen zu können. - Transmediale Navigation
Die Fähigkeit, Erzählwelten über mediale Systemgrenzen hinweg multimedial verfolgen zu können. - Informationsvernetzung
Die Fähigkeit, über Netzwerke Informationen und Wissen suchen, Analysieren und Publizieren zu können. - Modellbildung, Simulation und experimentelles Spiel
Die Fähigkeit dynamische Modelle realer Prozesse konstruieren, anwenden und analysieren zu können, sowie spielerisch mit Problemlösungsstrategien experimentieren zu können. - Adaptives Multitasking
Die Fähigkeit, die Umgebung global Erfassen und bei Bedarf jederzeit auf einzelne Details fokusieren zu können. - Verteilte Wahrnehmung
Die Fähigkeit, kreativ mit Systemen interagieren zu können, die die Erweiterung kognitiver Kompetenzen ermöglichen. - Umgang mit kollektiver Intelligenz
Die Fähigkeit, kollektiv Wissen zur Verfolgung eines gemeinsamen Ziels produzieren zu können. - Umgang mit alternativen Normen und Identitäten
Die Fähigkeit, unterschiedliche gesellschaftliche Wertesysteme Verstehen und sich alternativen Normen und alternative Identitäten annehmen und erforschen zu können.
- Confronting the Challenges of Participatory Culture - Media Education for the 21st Century von Henry Jenkins